Gedankensprünge

Mythen und Fakten der Psychotherapie

Geschrieben von Nicole Reischer | 10.02.2025 09:40:40

Die Psychotherapie ist ein bewährtes Mittel zur Behandlung psychischer Erkrankungen und zur persönlichen Weiterentwicklung. Dennoch existieren viele Mythen und Vorurteile, die Menschen davon abhalten, sich professionelle Hilfe zu suchen. In diesem Beitrag werden einige der häufigsten Missverständnisse aufgeklärt.

Mythos 1: „Psychotherapie ist nur etwas für psychisch Kranke.“

Fakt: Psychotherapie hilft nicht nur bei schweren psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen, sondern auch bei alltäglichen Belastungen, Stress, Beziehungsproblemen oder Selbstzweifeln. Jeder Mensch kann von psychotherapeutischer Unterstützung profitieren, um seine psychische Gesundheit zu stärken. Es braucht nicht den tiefsten Leidensdruck um sich für eine Psychotherapie zu entscheiden. Es kann sich bereits lohnen, beim ersten Bauchgefühl "da stimmt oder passt etwas nicht" mit einem Psychotherapeuten Kontakt aufzunehmen.

Mythos 2: „Psychotherapeuten hören nur zu und sagen eh nichts.“

Fakt: Während Zuhören ein wichtiger Bestandteil der Psychotherapie ist, bieten Psychotherapeuten auch aktive Unterstützung, stellen gezielte Fragen und geben dadurch hilfreiche Anregungen. Sie unterstützen dabei, die eigene Gedankenwelt zu ordnen und zu erweitern. Ein Psychotherapeut bietet oftmals den ersten geschützten Rahmen, in denen Menschen ihre Themen offen besprechen können. Menschen finden in der Psychotherapie oft zum ersten Mal jemanden, der wirklich zuhört, sie ernst nimmt und für sie da ist. 

Mythos 3: „Eine Therapie dauert viele Jahre.“

Fakt: Die Dauer einer Psychotherapie ist nicht vorgegeben. Sie hängt von der jeweils zugrunde liegenden Problematik, dem Therapieziel und auch der Methode ab - wie lange eine Psychotherapie dauert, ist somit völlig individuell. Manche Probleme lassen sich in wenigen Sitzungen bearbeiten, während andere mehr Zeit benötigen. Ziel ist es, dem Patienten so effizient wie möglich zu helfen. 

Mythos 4: „Psychotherapie macht abhängig.“

Fakt: Eine gute Psychotherapie verfolgt das Ziel, die Eigenständigkeit der Patienten zu fördern. Sie soll helfen, Probleme selbstständig zu bewältigen und nicht dauerhaft auf therapeutische Hilfe angewiesen zu sein. Ist das gemeinsam festgelegte Therapieziel erreicht, endet die Psychotherapie und wird nicht fortgeführt.

Mythos 5: „Nur Schwache gehen zur Therapie, ich bin ja nicht deppat.“

Fakt: Leider hält sich dieser Mythos nach wie vor sehr stark. Fakt ist, niemand ist schwach oder dumm. Uns allen kann es passieren, dass wir Hilfe benötigen. Sich Hilfe zu suchen, erfordert Mut und Selbstreflexion. Es zeigt Stärke, sich mit den eigenen Emotionen und Herausforderungen auseinanderzusetzen und aktiv an der eigenen psychischen Gesundheit zu arbeiten. 

Mythos 6: „Der Psychotherapeut wird für Ratschläge bezahlt.“

Fakt: Psychotherapeuten geben keine Ratschläge oder genaue Handlungsanweisungen, da der Fokus der Therapie darauf liegt, den Patienten zu befähigen, eigene Lösungen zu finden und selbständig Entscheidungen zu treffen. Durch gezielte Fragen und Techniken wird der Patient unterstützt, neue Perspektiven zu entwickeln und alternative Handlungswege zu erkunden. Die Lösung des Problems findet der Patient im Laufe der Psychotherapie selbst, sie wird nicht vom Psychotherapeuten vorgegeben.

Mythos 7: „Man muss sein ganzes Leben erzählen, damit eine Therapie wirkt.“

Fakt: Nicht jede Therapie erfordert eine umfassende Aufarbeitung der Vergangenheit. Zunächst richten sich die meisten Therapieansätze auf aktuelle Herausforderungen und Lösungsstrategien für die Gegenwart und Zukunft. Es kann sich lohnen, die Ursprünge und Wurzeln eines Themas zu betrachten, doch auch dann werden nur die relevanten Teile der Vergangenheit einbezogen. Die Patienten entscheiden selbst, was sie im Verlauf der Psychotherapie bereit sind zu teilen und wie offen sie sich zeigen. Wenn ein Patient über ein bestimmtes Thema nicht sprechen möchte oder noch nicht bereit dazu ist, wird der Psychotherapeut keinen Druck ausüben, sondern die Entscheidung des Patienten akzeptieren und respektieren.

Mythos 8: „Psychotherapie ist nur für Erwachsene.“

Fakt: Psychotherapie kann in jedem Lebensalter eine wertvolle Unterstützung sein. Sowohl Kinder als auch Jugendliche können von psychotherapeutischen Maßnahmen profitieren. Besonders in der Jugend kann professionelle Hilfe dabei unterstützen, Probleme frühzeitig zu erkennen und gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Schon im Säuglingsalter gibt es Situationen, in denen Psychotherapie nützlich sein kann. Auch im hohen Alter kann sie zu einer verbesserten Lebensqualität beitragen.

Mythos 9: „Wenn die Therapie nicht sofort hilft, bringt sie nichts.“

Fakt: Therapie ist ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert. Fortschritte können schrittweise erfolgen, und manchmal dauert es eine Weile, bis positive Veränderungen spürbar werden. Diese langsame, aber stetige Entwicklung ist ein natürlicher Teil des therapeutischen Prozesses. Manchmal kann es Wochen oder sogar Monate dauern, bis positive Veränderungen spürbar werden, was jedoch keinesfalls bedeutet, dass die Therapie wirkungslos ist. Wichtig ist, sich auch darüber bewusst zu sein, dass es zu Beginn einer Psychotherapie zu einer vorübergehenden Verstärkung der Symptome kommen kann. Dies ist ein normaler Teil des Prozesses, da tief verwurzelte Emotionen und Gedanken an die Oberfläche kommen. Es ist wichtig, in dieser Zeit geduldig mit sich selbst zu sein und den Prozess zu vertrauen.

Fazit

Psychotherapie ist ein wertvolles Instrument zur Förderung bzw. Wiederherstellung der psychischen Gesundheit und zur persönlichen Weiterentwicklung. Indem wir mit Mythen und Vorurteilen aufräumen, können wir mehr Menschen ermutigen, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen – ohne Angst oder Schamgefühl.